1.200.00 Pflegebedürftige

suchen jährlich mit ihren Angehörigen nach passender Pflege.
Diese Menschen benötigen endlich eine aussagekräftige Entscheidungshilfe.

Anforderungen und Lösungen müssen die Aspekte Lebensqualität, Personal und Erfahrungswissen umfassen.

Verbraucherorientierte Qualitätsberichterstattung in der Pflege

I.
Zwischen Pflegeanbietern gibt es Qualitätsunterschiede, die für die Auswahl relevant, aber bislang kaum sichtbar sind

II.
Über die gesundheitsbezogene Pflegequalität hinaus ist die Lebensqualität der Pflegebedürftigen wichtig

III.
Das Personal von Pflegeanbietern ist ein entscheidender Qualitätsfaktor

I.
Der neue „Pflege-TÜV“ wurde von Pflegekassen und Anbietern neu geregelt

II.
Die Verhandlungslösung zur Darstellung der Qualität ist aus Verbrauchersicht unzureichend

III.
Bei den Aufsichtsbehörden liegen relevante Qualitätsdaten, die aber nur in wenigen Bundesländern veröffentlicht werden

Ländervergleich

Qualitätstransparenz durch Daten der Aufsichtsbehörden

Wichtige, für Pflegebedürftige und ihre Angehörige entscheidungsrelevante Qualitätsdaten liegen bei den zuständigen Aufsichtsbehörden der Bundesländer. Das betrifft insbesondere Angaben über das tatsächlich eingesetzte Personal.

Eine Erhebung der Weissen Liste zeigt: In zehn von 16 Ländern erfahren die Betroffenen nichts darüber, ob in einem Heim zum Beispiel Personal fehlt oder schwerwiegende Mängel zu beanstanden sind. Der Mangel an Transparenz entsteht entweder dadurch, dass eine entsprechende landesrechtliche Regelung gar nicht existiert, oder dass vorhandene Gesetze nicht in die Praxis umgesetzt werden.

Gutachten, Fragebogen, Leitfaden

Angehörigenbefragung in der stationären Altenpflege

Die Weisse Liste hat ein Instrument zur Befragung von Angehörigen zur Qualität von Pflegeheimen vorgelegt. Der vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) auf wissenschaftlicher Grundlage entwickelte Fragebogen kam 2019 erstmals in Hamburg flächendeckend zum Einsatz. Der Fragebogen umfasst in der 2023 revidierten Fassung 31 Fragen aus sieben Qualitätsdimensionen wie beispielsweise „Selbstbestimmung“, „Personal“ oder „Essen und Trinken“. Die Ergebnisse werden einrichtungsbezogen in anonymisierter Form veröffentlicht und zu mehr Qualitätstransparenz beitragen.

Mit der Angehörigenbefragung werden drei Ziele erreicht
Icon Angehörigenbefragung

Die Ergebnisse sollen Pflegebedürftigen und Angehörigen auf der Suche nach einem Pflegeheim helfen und ihnen entscheidungsrelevante Informationen geben.

Icon Angehörigenbefragung

Die veröffentlichten Befragungsdaten sollen auch den Einrichtungen als systematische Rückmeldung zu ihrer Arbeit und Anstoß für Verbesserungen dienen.

Icon Angehörigenbefragung

Die Ergebnisse sollen außerdem die Arbeit der zuständigen Aufsichtsbehörden unterstützen.

Reformierter „Pflege-TÜV“

Fortschritt bei der Qualitätsprüfung – Qualitätsdarstellung nicht verbraucherfreundlich

Für die Reform des sogenannten Pflege-TÜV hat der zuständige „Qualitätsausschuss Pflege“ Ende Oktober 2018 einen wissenschaftlichen Abschlussbericht mit Empfehlungen zur Qualitätsberichterstattung über Pflegeheime veröffentlicht. Das Gremium, bestehend vor allem aus Vertretern der Pflegekassen und Pflegeanbieter, hat die entsprechenden Beschlüsse zur Umsetzung der Empfehlungen 2018 gefasst. Die Corona-Pandemie verzögerte die Einführung und Datenerhebung. Mit flächendeckenden Ergebnissen ist (Stand Dezember 2021) frühestens Ende 2022 zu rechnen. Die Weisse Liste hat die Pläne analysiert und bewertet.

Wie soll künftig geprüft werden?

 

Deutlich verbessertes Prüfverfahren liefert aussagekräftigere Daten.

Drei Bausteine, nämlich Vollerhebung durch die Einrichtungen bei allen Bewohnern, externe Prüfung des MDK sowie zusätzliche Einrichtungsinformationen inkl. Personalangaben.

Problematisch: Einrichtungsinformationen sollen nicht überprüft werden und Personalangaben beziehen sich auf vertragliche Soll-Werte statt auf das tatsächlich eingesetzte Personal.

Wird wirklich für mehr Transparenz gesorgt?

 

Diverse Informationen sollen nicht veröffentlicht werden, obwohl sie für Betroffene wichtig wären (Beispiel: Umgang mit Gefahren und Risiken; Qualifikation der Leitung). Auch sind Befragungen, etwa von Angehörigen, nicht vorgesehen.

Die Bewertungssystematik ist methodisch teilweise fragwürdig. Bei der MDK-Prüfung können Heime trotz Auffälligkeiten Bestbewertungen erhalten. Es fehlt eine Zusammenfassung dazu, ob es massive Mängel in der Pflegeeinrichtung gibt oder ob alles in Ordnung ist.

Was dürfen Verbraucher erwarten?

 

Ein Informationsangebot, was dem Verbraucher online einen leicht zugänglichen und verständlichen Überblick liefert, ist nicht zu erwarten.

Die rudimentären Ideen zur Qualitätsdarstellung sind fachlich problematisch und nicht „online gedacht“. Kern soll wie bisher ein vielseitiger, schwer verständlicher Bericht sein.

Es ist zu befürchten, dass es unabhängigen Informations­an­bietern unmöglich gemacht wird, die Qualitätsinformationen verbraucher­freundlich aufzubereiten und zu veröffentlichen.

Unsere Empfehlung:

Der jetzt geplante „Pflege-TÜV“ sollte kurzfristig angepasst werden

  1. Die vorgeschlagene Qualitätsprüfung und Datenerhebung sollte zügig eingeführt, dann aber kontinuierlich weiterentwickelt werden. Trotz diverser Kritikpunkte sind deutliche Verbesserungen zu erwarten.
  2. Die Systematik der Qualitätsbewertung sollte vor der Veröffentlichung methodisch und sprachlich präzisiert werden, um die Aussagekraft zu erhöhen.
  3. Die (digitale) Informationsvermittlung sollte den Informationsanbietern überlassen bleiben.
Bundesweite Umfrage

Bürger fordern mehr Qualitätstransparenz

Die Hälfte der Deutschen befürchtet, nicht das richtige Pflegeheim zu finden, weil wichtige Informationen zur Auswahl fehlen.

Zwei Drittel der Bürger, die bereits nach einem Heim gesucht haben, sehen starke Qualitätsunterschiede bei Pflegeheimen.

Bürger wollen insbesondere, dass Informationen zu Personal und Ausstattung veröffentlicht werden.

Welche Daten sollten öffentlich sein?

Unsere Reformvorschläge

Was Politik und Selbstverwaltung umsetzen sollten

  • Informationen müssen leicht zugänglich, verständlich und aktuell sein. Das gelingt besonders gut im jederzeit von überall aus zugänglichen Internet.
  • Mit Hilfe von Filter- und Sortierfunktionen, Aggregation, Hierarchisierung und Gruppierung können Nutzer Informationen leichter erfassen und nach ihren Bedürfnissen gewichten.
  • Das Public Reporting sollte vorrangig mit dem Ziel einer Online-Veröffentlichung konzipiert werden. Darauf aufbauend können unterschiedliche Medien für diverse Zielgruppen erstellt werden, von der individuellen Broschüre bis zum Forschungsdatensatz.
  • Das Public Reporting muss sich als Informationsangebot hinsichtlich Technik und Nutzerfreundlichkeit mit kommerziellen Angeboten messen lassen können, damit es Wirkung entfalten kann.
  • Künftig sollten neben der gesundheitsbezogenen Pflegequalität vor allem Merkmale, die die Lebensqualität beeinflussen können, veröffentlicht werden. Das sind sehr häufig Strukturinformationen, die dabei helfen, den passenden Pflegeanbieter zu wählen.
  • Dazu gehören die Aspekte Gesundheit und Wohlbefinden (u. a. Eignung für besondere Pflegesituationen); Mitwirkung und Information; Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit; Sicherheit; Spiritualität und Sinngebung; Teilhabe und Beschäftigung; Wohnen und hauswirtschaftliche Versorgung sowie Würde und Respekt.
  • Ausreichend Zeit für Pflege und Betreuung sowie die Qualifikation und Freundlichkeit der Mitarbeiter sind den Nutzern bei der Auswahl von Pflegeanbietern besonders wichtig.
  • Die Anzahl und Qualifikation des Pflege- und Betreuungspersonals ist der entscheidende Faktor für gute Qualität. Der tatsächliche Personaleinsatz sowie Abweichungen von vereinbarten oder vorgeschriebenen Personalschlüsseln müssen daher veröffentlicht werden.
  • Indem personalbezogene Indikatoren mit Qualitätsindikatoren gemeinsam erhoben und publiziert werden, können künftig Zusammenhänge von Personal- und Fachkräfteeinsatz mit Pflege- und Lebensqualität besser erforscht und Hinweise auf den notwendigen Personal-/Fachkräftebedarf abgeleitet werden.
  • Dem Nutzer ist die fachliche Qualität der Pflege ebenfalls besonders wichtig. Allerdings benötigen Verbraucher dazu eine verständliche, zusammenfassende Qualitätsaussage.
  • Bei einer Aggregation von Qualitätsdaten müssen Risiken und das Unterschreiten von Mindestanforderungen erkennbar bleiben. Dies muss auch dann gelten, wenn Ergebnisse aus unterschiedlichen Qualitätsprüfungen zusammengefasst werden.
  • Am besten fasst man die Ergebnisse zusammen, indem vor den besonders schlechten Pflegeanbietern gewarnt wird. Als Anreiz für Qualitätsverbesserungen sollten auch besonders gute Anbieter sichtbar gemacht werden. Dafür sind Grenz- und Schwellenwerte erforderlich, die entweder pflegefachlich begründet, konsentiert oder statistisch ermittelt werden.
  • Die zugrundeliegenden Qualitätsdaten müssen dennoch für interessierte Nutzer und Experten einsehbar sein, und zwar als Rohdaten auf dem höchstmöglichen Skalenniveau.
  • Nutzer wollen wissen, welche Erfahrungen andere bei dem jeweiligen Pflegeanbieter gemacht haben und ob sie ihn daraufhin weiterempfehlen würden. Über Erfahrungsberichte können auch wichtige Informationen „zwischen den Zeilen“, z.B. wahrgenommene kritische Ereignisse, vermittelt werden.
  • Es sollten für jedermann offene „Reviews und Ratings“ eingeführt werden. Dafür gibt es internationale Vorbilder. Anbieter sollten dabei die Möglichkeit zur Kommentierung erhalten.
  • Ergänzend dazu stellen die Ergebnisse systematischer Befragungen von Angehörigen und/oder Mitarbeitern wichtige Informationsquellen dar. Für eine bessere Aussagekraft können gezielt kritische Ereignisse sowie Aussagen zur Weiterempfehlung erhoben werden.
  • Zur Methodik solcher standardisierter Befragungen bieten sowohl die Forschung wie auch Erfahrungen aus anderen Sektoren wertvolle Ansatzpunkte. Befragungen müssen dem Anspruch an Reliabilität, Validität und Objektivität genügen sowie manipulationssicher durchgeführt werden.
  • Die im Rahmen des Public Reporting erhobenen Daten sollten der Öffentlichkeit zur freien Verfügung und Nutzung bereitgestellt werden.
  • Datennutzungsbedingungen müssen es erlauben, die Informationen über digitale Filter- und Sortierfunktionen zu erschließen und Daten nutzerfreundlich zu aggregieren.
  • Die Datensammlung und -aufbereitung sollten gebündelt werden, um eine bestmögliche Nutzung zur Verbraucherinformation und für die Forschung zu ermöglichen.
  • Die Informationsverbreitung sollte hingegen dezentral erfolgen, um viele Zielgruppen zu erreichen und einen Wettbewerb um die besten, d.h. nutzerfreundlichsten und nützlichsten Angebote zu ermöglichen.
  • Bestehende Informationsquellen sollten vorrangig erschlossen und genutzt werden. Dazu gehören Vertragsdaten, (künftig) gesetzlich vorgeschriebene Qualitätsmessungen der Pflegeanbieter, Prüfergebnisse des MDK sowie die Prüfergebnisse der Heimaufsicht.
  • Hinzu käme der vorgeschlagene Strukturbericht der Anbieter, dessen Daten aufwandsarm online und revisionssicher erfasst werden sollten. Die Pflegeanbieter müssen ihre Angaben jederzeit aktuell halten können.
Unser Lösungsvorschlag

Prototyp für die Qualitätsdarstellung

Dieser Prototyp entstand im Rahmen der Forschungs- und Projektarbeit für das Reformkonzept zum „Pflege-TÜV“. Mittlerweile hat die Weisse Liste eine neue Online-Pflegeheimsuche online gestellt, die die erarbeiteten Prinzipien realisiert: www.weisse-liste-pflege.de. Für Hamburger Pflegeheime sind besonders umfangreiche und aussagekräftige Qualitätsinformationen abrufbar.

Fachlicher Hintergrund

Worauf unsere Vorschläge beruhen

5 Fakten


  • Das derzeitige Informationsangebot passt nicht zum Informationsinteresse der Nutzer.
  • Je wichtiger den Nutzern ein Auswahlkriterium ist, umso weniger gut fühlen sie sich darüber informiert.
  • Den Nutzern sind personalbezogene Kriterien (Anzahl, Qualifikation, Freundlichkeit/Umgang der Mitarbeiter) extrem wichtig.
  • Ebenso wichtig ist die „fachliche Qualität der Pflege“. Im Kontext anderer Befragungen zeigt sich, dass Nutzer zusammenfassende Qualitätsaussagen benötigen.
  • Das Erfahrungswissen anderer ist den Nutzern ebenfalls wichtig.

Heutiges Informationsangebot passt nicht zum Informationsbedarf


5 Fakten


  • Das Internet ist die wichtigste Informationsquelle, noch vor Freunden und Bekannten. Beratungsstellen werden nur von einem Drittel der Befragten (Nutzer der Weissen Liste) genutzt.
  • Es sind überwiegend die Angehörigen, die nach passenden Pflegeanbietern suchen.
  • Rund ein Drittel der Nutzer steht unter einem Handlungs- und Entscheidungsdruck.
  • Ein Informationsangebot muss unterschiedliche Detailebenen bereithalten, denn es gibt Nutzer mit und ohne Vorinformationen zu Anbietern.
  • Das Such- und Auswahlverhalten der Nutzer gliedert sich in vier Phasen mit unterschiedlichen Problemen und Anforderungen:
    • Orientierungsphase
    • Vorauswahl
    • Detailvergleich
    • Entscheidung
Anlass der Suche
Infografik Qualitätsberichterstattung
Besuch vor Ort
Infografik Qualitätsberichterstattung

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Infografik Qualitätsberichterstattung

5 Fakten


  • Lebensqualität umfasst mehr Dimensionen, als „nur“ Gesundheit.
  • Die Betroffenen entscheiden individuell, welche Kriterien davon relevant und wie sie zu bewerten sind.
  • Viele Einflussfaktoren sind Strukturmerkmale der Anbieter.
  • Lebensqualität zu messen, ist schwierig, aber nicht unmöglich. Dazu müssen neue Befragungsinstrumente (Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter) entwickelt werden.
  • Das Erfahrungswissen kann auch über offene Kommentar- und Bewertungsfunktionen („Reviews und Ratings“) vermittelt werden.

5 Fakten


  • Personalausstattung und fachliche Qualifikation hängen mit der erzielten Pflegequalität eng zusammen.
  • Art und Anzahl des tatsächlich eingesetzten Personals unterscheidet sich von Anbieter zu Anbieter.
  • In der Praxis kommt es zu Abweichungen vom vertraglich vereinbarten Personalschlüssel.
  • Der Personaleinsatz und Abweichungen von Mindeststandards werden bislang nur in wenigen Bundesländern veröffentlicht, und wenn, dann in schwer zugänglicher Form.
  • Im Ausland, etwa in den USA, ist die Veröffentlichung von detaillierten Personalangaben Standard.
Infografik Qualitätsberichterstattung
Anforderungen aus Sicht der Anbieter

Wie Anbieter künftig Daten pflegen und nutzen könnten

  • Einfache, günstige Datenpflege (online), keine Doppelerhebungen
  • Zentrale Datenerhebung durch unabhängige Stelle
  • Erfahrungsberichte vor Veröffentlichung unabhängig prüfen, Kommentarfunktion für Anbieter
  • Individualisierter Datenzugang zur Qualitätsentwicklung (Benchmarking)
  • Zeitgemäße Präsentationsmöglichkeiten im Rahmen des Neutralitätsgebots
Screen Zentrale Datenerhebungsstelle

Ansprechpartner

Johannes Strotbek

Johannes Strotbek

Senior Project Manager

T: 030.27 57 88-320
E: johannes.strotbek@bst-gesundheit.de

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